Warum mir manche Border Collies leid tun

Maren Grote Hundetraining

53 Min.  · 

Warum mir manche Border Collies leid tun

- Von Maren Grote -

Ein Hund will nicht nur alleine sein und nichts erleben.

Er mag Spaziergänge, oder das Abkontrollieren des Gartenzauns, Knochen kauen, Löcher buddeln oder einfach nur dabei sein.

Er mag neue Gegenden erkunden, schnuppern, erfahren und einfach nur in der Sonne braten. Normales Zeug eben.

Dieses normale Zeug scheint mittlerweile so normal zu sein, dass es nicht mehr als „Beschäftigung“ zählt.

Da muss schon mehr ran.

Das ist, an und für sich, eine tolle Sache. Es gibt viele sinnvolle Angebote für Spaß und Aktion im Leben des Hundes und des Halters. Ein gemeinsames Hobby sozusagen.

Zugegeben, oft geht es dabei mehr um ein Hobby für den Halter, als für den Hund.

Vergessen wird manchmal, das ein gemeinsames Hobby auch anders aussehen kann.

Die alte Dame, die jeden Morgen mit ihrem Hund zusammen quer durch den Park geht und am Kiosk eine Zeitung holt.

Der hart arbeitende Büromitarbeiter, der seinen Hund unter dem Schreibtisch liegen hat und in der Mittagspause mit ein paar Kollegen spazieren geht.

Die Hausfrau, die mit dem Hund die Kinder zur Schule bringt oder eine Runde mit ihm durch den Wald joggt wenn sie am Vormittag Zeit für sich hat.

Das alles sind gemeinsame Hobbys und Beschäftigung für Hunde.

Und das ist meistens auch ihr ganz normales Leben.

Dazu kommen Spaziergänge, Treffen mit anderen Hunden, Autofahrten, das Empfangen von Besuch, Fressen und vieles mehr.

Und dann gibt es diejenigen, die zusätzlich noch beschäftigt werden.

Nicht einmal die Woche beim Mantrailing, oder ab und zu beim Spaziergang mit einem Suchspielchen, sondern täglich und fast ohne Pause.

Hunde die geradezu einen Job als Zirkuspferdchen haben.

Täglich zehn Kilometer oder mehr laufen, dabei Suchspiele und ein bisschen Unterordnung.

Kaum zu Hause gibt es den Futterball und das Intelligenzspiel aus Holz und auch den Rest der Mahlzeit niemals im Napf, sondern nur für besondere Leistung gefüttert.

Ohne „Sitz“, „Platz“ oder „Rolle“ gibt es keinen einzigen Krümel. Jeder Brocken Futter ist an einen persönlichen Anspruch geknüpft, den es zu erfüllen gilt.

Hundesport ist da geradezu Pflichtprogramm, natürlich zusätzlich zum Rest.

Mehrmals die Woche Üben für das große Turnier am Wochenende und dann den Samstag und Sonntag in der Hundeschule, entweder auf dem Platz, oder Wartend auf den Einsatz.

Auslastung wird mit völliger Erschöpfung gleichgesetzt. Auch völlige Erschöpfung ist mal ok, aber ganz gewiss kein ständig erstrebenswerter Zustand.

Und auch keine artgerechte Auslastung.

Ständig geht es um Leistung, Anspruch und Auslastung, oder in diesem Fall eher: Belastung.

Insbesondere Hütehunde leiden unter dieser Extremhaltung.

Mit der Erklärung „Das ist ein Hütehund, der muss ausgelastet werden!“ wird oft ein Programm für den Hund erstellt, dass nur noch die Nacht für ein Nickerchen zulässt.

Dabei ist grade der Hütehund ein sensibles Tier, was Auszeiten dringend benötigt.

Schäfer wissen das.

Der Alltag eines arbeitenden Border Collies sieht eben nicht so aus, das dieser jeden Tag im Jahr zehn Stunden täglich mit Aufgaben betraut wird und arbeitet.

Er wird vorsichtig an das Thema heran geführt, nicht selten Monate oder sogar Jahre an kurzer Leine mitgeführt bevor seine Ausbildung überhaupt beginnt.

Er lernt erst sich zu regulieren, herunter zu fahren, auszuhalten und locker zu bleiben, bevor auf seine natürlichen Talente zurück gegriffen wird.

Denn das ist ja das Schöne an Talenten: Man muss sie nicht ständig fördern und lehren.

Es sind Talente, sie sind von Natur aus mitgegeben und belieben erhalten.

Der arbeitende Border Collie hat Winterpausen, Stunden und Tage in Schafsboxen, abgeschirmt von allen Reizen.

Er hat keinen Besuch, Hundeschule, Gassigänge, Schulkinder, die um ihn herum spielen.

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Viele Rassen haben große Talente im Arbeiten und wenig oder gar keine im ruhig bleiben.

Entspannung ist aber wichtig und lebensnotwendig. Für den Körper, die Stimmung und langfristig auch für´s Lernen.

Jagdhunde jagen auch beim Jäger nicht täglich.

Sie haben Einsätze und den Rest der Zeit warten sie und ruhen sich aus.

Ja, sie sind beschäftigt und arbeiten und doch sind grade die Hunderassen, denen wir heute zusprechen ständig beschäftigt werden zu müssen schon durch ihre eigentlich Arbeit zwangsläufig viel im Urlaub.

Der Unterschied ist eher, dass sie den Eindruck erwecken beschäftigt werden zu wollen.

Wenn man wieder von der eigentlichen Nutzung ausgeht, dann ergibt das Sinn.

Da der Mensch eigentlich reguliert, dass diese Rassen viele Zwangspausen haben, braucht er Tiere, die trotzdem sofort dabei sind, wenn es um ihre Aufgabe geht.

Der Jagdhund muss auch nach einer Woche der Langeweile auf den Punkt wieder bei der Sache sein und auch der Hütehund darf nicht erst mal wieder warm werden müssen mit dieser ganzen anstrengenden Hütesache.

Die Zucht bemüht sich daher das natürlichen „Aus-Knöpfchen“ möglichst weg zu züchten. So ist der Hund immer einsatzbereit, wenn der Mensch ihn braucht.

Im „Standby Modus“ könnte man sagen.

Drückt der Mensch nicht von außen den „Externen-Aus-Knopf“ zum Beispiel durch Zwangspausen, Ruhephasen und manchmal wirklich komplett reizarme Räume zur Erholung, dann bleibt der Hund dauerhaft angeschaltet und verlangt nach mehr Arbeit.

Der Mensch gibt sie ihm und schon ist der Teufelskreis der gegenseitigen Erwartungshaltung geschaffen.

Oft hat auch der Hund einen Anspruch seinem Besitzer zu genügen, seine Aufgaben ordentlich zu erfüllen, seine Arbeit korrekt aus zu führen.

Er kommt allen Aufforderungen nach und hat dabei manchmal weniger Spaß, als eher ein Pflichtbewusstsein.

Ebenso geht es dann manchmal dem Menschen. Auch er beschäftigt ohne eigenen Spaß vermeintlich für seinen Hund und sobald er mal einen Tag einen kleinen Spaziergang ohne Bespaßungsprogramm verschwendet und den Rest der Zeit mit dem Hund zusammen im Garten verbringt und Unkraut jätet plagt ihn das schlechte Gewissen.

Sofort wird der Ball gezückt und zwischen jedem dritten Löwenzahn geworfen, apportiert und eine Leckerli Spur auf dem Rasen verteilt.

Das Resultat sind keine ausgelastetsten Hunde, sondern Hunde, die derart überlastet werden, dass sie Abends in´s Koma fallen, anstatt zu schlafen.

Hunde die immer unruhiger, unleidlicher, nervös und angespannt sind.

Ausgelastet zu sein heißt zufrieden zu sein, nicht bis aufs Letzte körperlich erschöpft und geistig verausgabt.

So manch einem Mensch und seinem Hund kann man da nur Ruhe und gemeinsame Entspannung wünschen.

Mal genüsslich herum zu gammeln und einfach so durch den Wald zu schlendern ohne Aufgaben und Kunststücke.

Ganz normal eben, egal welcher Rasse der Hund angehört.

Dieser Text darf gerne geteilt werden. Alle Rechte daran verbleiben bei der Autorin Maren Grote

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Nicole (Donnerstag, 29 April 2021 16:51)

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Das ist Balsam und tut mir gut wieder einmal zu lesen.
    Ertappe ich mich doch auch manchmal bei dem Gedanken, ob wir unserer Kleinen genügend "bieten".
    Aber wenn ich an all die Kinder denke, die ich in der Schule sehe und die schon mit 7-8 Jahren fast an einem Burnout leiden wegen Instrumentenstunde, Fussball, Tanzen und dann noch Hausaufgaben, Programm am Wochenende mit der Familie und nicht mehr dazu kommen sich zu "langweilen" oder zu spielen..dann weiss ich, dass es mit den Hunden genau gleich ist. Im Eifer, dass es ihnen gut gehen soll und wir ihnen ein gutes Leben bieten möchten, übertreiben wir es.