der Beitrag von Maren spricht mir aus der Seele. Es sind unsere Erfahrungen, unsere Beobachtungen und die Qual schlafloser Nächte. Ich möchte den Text ungekürzt hier weiter geben, in der Hoffnung, dass jeder der das liest sich mal Gedanken macht und diese Gedanken an alle streut, die das selber nicht lesen.
Maren Grote Hundetraining
Gerettet oder entführt?
-Von Maren Grote-
Es gibt wirklich großartige Hunde aus dem Auslandstierschutz.
Bulgarien, Rumänien, oder Griechenland, aber auch aus Thailand, Spanien und und und..
Sie sind zutraulich, aufgeschlossen und passen sich in unser Leben hier ein. Sie sind glücklich hier und ihre Besitzer glücklich mit ihnen.
Um diese Hunde geht es hier in diesem Artikel nicht.
Es geht hier um die vergessenen, die erzwungenen und die entführten.
Denn auch wenn das manch einer nicht wahr haben möchte, die gibt es genauso häufig, wie die angepassten, glücklichen!
In dieser Zeit möchte jeder einen Hund. Täglich habe ich als Trainerin neue Anfragen von Menschen, die sich jetzt in der Coronazeit einen Welpen geholt haben.
Ungefähr die Hälfte dieser Anfragen bezieht sich auf importierte Straßenhunde.
Sie kommen alle mit den selben Problemen: Angst, Aggression gegenüber Menschen und fremden Hunden, ausgeprägte, territoriale Aggression, kurz gesagt: Beißen!
Was aber viel gravierender ist, als diese Verhaltensweisen ist eine nicht vorhandene Kooperation mit dem Menschen.
Egal mit wie vielen Wochen diese Tiere nach Deutschland gebracht wurden, sie sind bereits genetisch darauf ausgelegt alleine klar zu kommen und ohne den Menschen zu existieren.
Sie träumen nicht von Sofas und Liebe, sie öffnen Fenster, stehlen Essen aus verschlossenen Schubladen und beißen Kinder, die zu laut trampeln, wenn sie in Ruhe schlafen möchten.
Sie balancieren auf der Fensterbank, schlafen auf dem Küchentisch und kacken in den Flur.
Was dort über viele Jahre auf der Straße entstanden ist, ist ein neuer Schlag Hunde.
Sie sind freiheitsliebend, wild und durchsetzungsstark.
Nicht zu vergleichen mit den angepassten Zuchthunden unseres Landes.
Sie scheren sich nicht um menschliche Regeln, weiche Bettchen und freundliche Worte.
Ohne den Willen sich aggressiv durch zu setzen sind sie auf der Straße verloren. Ohne die Fähigkeit zu schauspielern, zu betteln, zu täuschen und für sich zu sorgen geht man dort schnell unter.
Wer diese Fähigkeiten nicht besitzt, der wird sich nicht vermehren.
Wer denkt, er wüsste was durchsetzungsstark und dickköpfig bedeuten würde, weil er eine Bulddoge, oder einen Dackel hatte, der wird von einem echten Straßenhund ausgelacht.
Wer glaubt er könnte mit Liebe allein einen zutiefst misstrauischen und bis ins Mark eigenständig denkenden Hund zu tiefem Vertrauen bringen, oder gar ein nahezu verwildertes Tier mit Leberwurst zu einer echten Kooperation füttern, die über den puren Zweckerhalt hinaus geht, der wird viel Leberwurst in´s Land gehen lassen, bis er versteht, dass er im Ernstfall trotzdem stehen gelassen (oder einfach gebissen) wird, sobald etwas wichtiger ist.
Wer ernsthaft denkt, sein Bordercollie aus der deutschen Schönheitszucht sei der intelligenteste, der hat noch nie einen verzottelten Straßenköter eine Verletzung simulieren gesehen, um an Mitleid zu kommen. Der hat noch nie in einer Kamera staunend beobachtet, wie das putzige 14Kilo Importtierchen von der Müllkippe eine ganze Küche in einer halben Stunde in Schutt und Asche legt, um die Schränke nach Essbarem zu durchsuchen.
Die Art wie verwildert, schlau und eigenständig echte Straßenhunde sein können übersteigt bei weitem dass, was wir von Rassehunden und Mischlingen kennen, die seit Generationen mit dem Menschen eng zusammen leben.
Einige dieser Hunde sind einfach Wildtiere.
Sie werden nicht erzogen, sie werden gezähmt.
Man muss sie wie ein Tier im Zoo ganz langsam und über unsoziale Reize wie Futter erstmal in die Nähe bekommen. Ihnen über lange Zeit eine Idee davon geben, dass man mit Menschen wirklich kommunizieren kann. Dass man kooperativ mit ihnen zusammen arbeiten kann. Füreinander und nicht nur für Futter.
Erziehung, Anpassung an Regeln, oder gar bewundernswerter Gehorsam ist nicht zu erwarten.
Wenn überhaupt, dann höchstens diesem einen, bestimmten Menschen gegenüber, der sich jahrelang dafür eingesetzt hat.
Nochmal: Es muss nicht so kommen, es gibt auch Hunde von der Straße, die genügend Offenheit und Kooperationswillen mitbringen.
Und es gibt die, die es nicht tun und die werden niemals den Ansprüchen an den „normalen“ Familienhund, der überall entspannt dabei ist entsprechen können.
Welchen man erwischt ist für viele Laien absolut nicht sichtbar.
Auch für Profis nicht, es zeigt sich eben erst im Verlauf.
Dabei ist es egal wie alt der Hund ist, auch ein fünf Wochen alter Hund kann so ein Fall sein und trotz perfekter Aufwuchsbedingungen lebenslang extrem auffälliges Verhalten zeigen, bissig sein, oder immer Angst vor fremden Menschen haben, egal wie gut man ihn sozialisiert.
Genetik und angeborene Verhaltensweisen sind nicht vollständig wegliebbar und auch nicht weg zu füttern, oder zu trainieren.
Am Ende bleibt ein oft ein gezähmtes Wildtier und ein einziger Mensch, der mit diesem Tier wirklich gut klar kommt.
Und genau dieser Irrglaube, dass jeder Hund „lieb“ (was auch immer das heißen mag) geboren wird, dass ein Hund von der Straße immer gerettet wurde und das aus jedem Hund ein ganz „normaler“ Haushund zu machen ist, sorgt für hunderte dieser Tiere hier im Tierheim.
Statt Freiheit und Selbstbestimmung dämmern sie in Zwingern dahin. Gerettet…
Weil kein Hund blanko auf die Welt kommt und nur der Mensch ihn formt.
Bei weitem nicht jedes Leben auf der Straße ist schlimm für Hunde.
Sie werden nicht alle gequält und geschlagen. Sie legen vielleicht weniger Wert auf regelmäßige Wurmkuren, als eher darauf eine Familie gründen zu können.
Sie lieben es gar frei zu sein. Unkastriert. Sich zu prügeln und zu bellen, wann sie wollen.
Zu kommen und zu gehen wann und mit wem sie wollen.
Viele von ihnen werden gefüttert, besorgen sich Futter, oder leben zufrieden an Müllkippen und Stränden.
Sie leben nicht immer lange, aber wild und frei und zu behaupten wir wüssten, ob sie glücklicher an einer Flexileine, eingesperrt in einem Haus wohnen würden, ohne ihre Familie und Freunde, ist vermessen.
Einige dieser Hunde sind wie hier die Füchse im Wald.
Niemand würde auf die Idee kommen Fuchswelpen aus einem Bau zu ziehen, um sie in ein Wohnzimmer zu setzen.
Wie viele Hundemütter kamen schon zu ihrem leeren Welpennest von der Futtersuche zurück, weil ihre Welpen „gerettet“ wurden?
Meistens in Löchern, ausgetrockneten Flussbetten und Unterführungen…Höhlen eben.
Orte, an denen Hundemütter ihre Welpen parken, um etwas zu fressen zu besorgen.
Was haben sie wohl gedacht, als sie ihre Welpen nicht mehr vorfanden?
Ob sie sich über die Rettung gefreut haben?
Wie viele Hunde mit einem Schlitz im Ohr, oder einem halben Ohr gibt es in Deutschland? In einigen Ländern eine Markierung dafür, dass dieser Hund jemandem gehört. Dass man ihn bitte nicht abschießen soll, dass er ein Zuhause hat und einfach nur grade mal wieder alleine spazieren geht, einer läufigen Hündin nachstellt, oder sein Revier abläuft.
Wie viele Bauern fragen sich abends wo wohl ihr Hund bleibt, während der schon in der Transportbox nach Deutschland sitzt?
Und wer weiß, vielleicht werden diese Hunde auch geliebt, geschätzt, vermisst.
Nicht nur unsere Art der Hundehaltung ist die einzig Wahre und auf Freundschaft basierende.
Würde uns nicht auch jemand als Tierquäler bezeichnen, wenn er unsere Hunde beim Hundefrisör sieht, in Geschirr, Deckchen und bimmelnde Hundemarken eingepackt, oder ständig angeleint?
Natürlich sollen wir Hunde aus dem Tierschutz und auch aus dem Auslandstierschutz zu uns nehmen. Natürlich darf jeder solche Hunde her holen und ihnen eine Chance geben.
Angebracht wäre aber viel mehr Skepsis und Überprüfung woher die Hunde wirklich stammen.
Ob sie überhaupt hier leben können.
Und da passiert momentan einfach viel zu wenig.
Von „schlechten Erfahrungen“ und „Trauma“ wird gesprochen, wenn Hunde über Tage in ihrer Heimat gejagt, gefangen, festgehalten, narkotisiert, kastriert, in eine Kiste gestopft und über Stunden und Tage her gebracht wurden. Nur um dann in einer völlig fremden Welt anzukommen. Einsam, gezwungen und dann noch mit dem Anspruch beladen jetzt bitte dankbar zu sein.
Ob das Trauma nun wirklich durch das Leben auf der Straße, oder eher durch das gewaltsame entführen ausgelöst wurde sei in Frage gestellt.
Wer sich einen Hund von der Straße holen will sollte also genau überlegen, ob dieser Hund das wohl auch wirklich will. Ob es sich lohnt ein wildes Tier zu fangen, um ihm dann in jahrelanger Kleinarbeit nah zu bringen, dass eventuell auch mal ganz schön bei Menschen sein kann.
Auch hier gibt es massenhaft Hunde, die in Tierheimen und auf Pflegestellen auf neue Besitzer warten und die wirklich warten.
Die ein eigenes Interesse haben nahe am Mensch zu leben und mit ihm zusammen eine Beziehung aufzubauen, ohne überzeugt werden zu müssen.
Diese Hunde freuen sich über ein neues Zuhause.
Würden sich ihnen und ihren Besonderheiten und Erziehungsmängeln jemand mit genauso viel Liebe annehmen, wie manch einem entführten Hund, der eigentlich viel glücklicher auf seiner Müllkippe wäre, dann wäre allen Beteiligten sehr geholfen.
Dieser Text darf gerne geteilt werde. Alle Rechte verbleiben bei der Autorin Maren Grote.
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Brig itte (Montag, 02 August 2021 17:57)
Du sprichst mir aus dem Herzen.
Möchte gerne einen Hund. Aber die Kontrollen und Vorkontrolle und Nachkontrolle sind ja schon extrem.
Bei einer Mutter gibt es keine Vor- und Nachkontrolle.
Ich warte nun wieder, bis es wieder einen tollen Hund im Tierheim hat.